17. Oktober 2019
Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Moment zurückkommt, in dem sich Architektur und Interiordesign wieder auf Augenhöhe begegnen würden. Vielleicht ist es zurzeit sogar so, dass die Innenarchitektur, die in den letzten Jahrzehnten wieder deutlich an Gewicht bekommen hat, ganz leicht den Ton angibt. Architektur entwickelt sich immer öfter von innen heraus, die Funktion des Gebäudes lässt die Form entstehen und nicht umgekehrt. Was sich aber leicht anhört, beruht auf einer intensiven Zusammenarbeit zwischen dem Architekten und dem Interior Designer, der nicht - wie früher – erst zum Zug kommt, wenn der Architekt das Gebäude übergeben hat, sondern zeitnah in das Projekt miteinbezogen wird. Manchmal ist es sogar so, dass der Interior Designer die Vorgabe macht und sich dann erst der Architekt einklinkt – quasi umgekehrt.
Von Barbara Jahn
© Archivio Famiglia Otto Prutscher
Otto Prutscher entwarf als Mitglied der Wiener Werkstätte auch Lampen, Stoffe und Tapeten, wie dieses Musterzimmer zeigt.
Aus der Vergangenheit lernen
Doch soll das nicht der Versuch sein, neue Hierarchien aufzustellen. Der Punkt ist, dass es sich abzeichnet, dass Berufsgruppen wieder verstärkt und miteinander enger verwoben zusammenarbeiten, wie es zu Zeiten der Wiener Werkstätte oder in der Ära des Bauhauses der Fall war. Waren es in Wien die einzelnen Gewerke und Kunstrichtungen, die durch ein Ineinanderfließen ein neues Architekturdenken einleiteten, so war es in der Epoche des Bauhauses der Architekt, der sich gleichzeitig über selbst kreiertes Mobiliar ebenfalls an das Thema Gesamtkunstwerk heranwagte. Ziemlich genau 100 Jahre später gibt es Tendenzen, die eine ähnliche Richtung anpeilen: Es wird wieder gesamtheitlich gedacht, Synergien werden besser genutzt, Aufträge werden gemeinschaftlich realisiert. Dem Bauherrn gefällt der Ansatz „Alles aus einer Hand“ dabei nicht schlecht.
© Stilwerk
Eine intelligente Erweiterung eines Erfolgskonzepts: Im neuen Stilwerk Workspace kommen Klienten und Interior Designer zusammen.
Das Ganze sehen
Als 1996 das erste Stilwerk eröffnete, gab es eine Vision, die den Trend schon ein wenig erahnen ließ: Das Zusammenführen von Kompetenzen an einen gemeinsamen Ort in unterschiedlichen Disziplinen. Retail und Planung, Beratung und Auswahl sind die Steckenpferde des Konzepts und damit Vorreiter von Denkfabriken wie sie etwa derzeit auch in Österreich entstehen. Eine davon ist das Formdepot in Wien, ein Zusammenschluss von verschiedenen Partnerfirmen, die rund um Architektur und Interieur sowie Außenbereich sämtliche Projekte gemeinschaftlich umsetzen können. Hier finden sich Planung, Design und Handwerk auf anspruchsvollem Niveau vereint. Einer, der selbst aus dem Handwerk kommt, ist Interiordesigner Martin Steininger, der seinerseits wiederum Architekten und Lichtdesigner in seine Ideenschmiede holt und holistische, maßgeschneiderte und vor allem sehr exklusive Projekte verwirklicht.
© Gabriel Büchelmeier
Im Wiener Formdepot findet man alle Gewerke unter einem Dach vereint – unter anderem Möbel, Raumausstattung, Sanitär und Outdoor.
Das Beste herausholen
Das wiedergefundene Zusammenwachsen und gemeinsame Engagement steht für eine Renaissance des Universalen in der Architektur, jedoch mit der Erkenntnis, dass nicht einer allein in allen Disziplinen Experte sein kann, wie man das lange Zeit von Architekten abverlangt hat, sondern dass Projekte in gemeinschaftlichen Entwicklungsprozessen noch viel mehr Potenzial haben als man vielleicht vermuten würde.