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Vielfalt ist wunderbar

29. März 2022

Fröhlichen Kurven, die eine zentrale Botschaft überbringen: Es ist großartig, dass Menschen alle unterschiedlich sind.

 

Von Barbara Jahn

 


Gesellschaftswandel. Das Anandaloy in Rudrapur ebnet den Weg in die Zukunft - als Architektur und als Institution.
Foto: ©  Kurt Hörbst

 

Architektur als Werkzeug zur Verbesserung des Lebens: Mit dieser Überzeugung ging die deutsche Architektin Anna Heringer an die Planung von Anandaloy in Rudrapur, Bangladesh, ein Zentrum für Menschen mit Behinderungen sowie ein kleines Atelier für die Herstellung fairer Textilien genannt „Dipdii Textiles“. Aus lokalen Materialien wie Lehm und Bambus sowie mit viel händischer Arbeit konstruiert, ist es die gelebte Philosophie der deutschen Architektin, die ein Gebäude viel mehr als nur ein Bauwerk, sondern als echten Katalysator für die lokale Entwicklung einer Region betrachtet. Das Budget fließt damit an die ansässigen Bauern und Handwerker zurück und ermöglicht wieder Raum und Ressourcen für die nächsten Projekte. Anna Heringer konnte bereits mit fünf früheren Projekte in Rudrapur, einschließlich der METI-Schule, viel Erfahrung sammeln – ein stetiger Lernprozess, der sich erfolgreich weiterentwickelte.

 


Geerdet. Am Anandaloy findet sich nichts, was hier nicht hergehört.
Foto: ©  Kurt Hörbst


Das Besondere an Anandaloy ist, dass statt einer deutschen Bauleitung diesmal eine einheimische Bauunternehmung eingesetzt wurde. Zudem beteiligte sich ein Team von Lehm- und Bambusarbeiter aus dem Dorf an der Realisierung des Projektes, darunter auch einige Menschen mit Behinderungen. Die Weitergabe von Wissen war ein zentrales Anliegen von Anna Heringer ebenso wie die Sichtbarmachung von Behinderungen, die in Bangladesh heute immer noch als Strafe oder als schlechtes Karma aus einem früheren Leben betrachtet werden. Die Einbindung von Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen, die in Ermangelung vorhandener Therapie- und Betreuungsplätzen auf sich allein gestellt wären, ist deshalb ein fundamentales Element des gesamten Projekts.

 


Kurvig. Die Rundungen des Gebäudes sind nicht üblich in dieser Region – auch hier geht Anna Heringer einen neuen Weg in der Architektur.
Skizze: ©  Studio Anna Heringer

 

Zum geplanten Therapiezentrum gesellte sich schließlich die Idee, ein Atelier für Schneiderinnen einzurichten, was ein weiteres Geschoss auf den Plan rief. Anna Heringer, die damit ein wirksames Mittel gegen die Stadt-Land-Wanderung und gleichzeitig für Frauen eine Möglichkeit, im eigenen Dorf einen Arbeitsplatz zu finden, geschaffen hat, betreut die neue Einrichtung persönlich mit: „Das Konzept war, den Menschen mit Behinderungen nicht nur eine therapeutische Behandlung zu ermöglichen, sondern ihnen auch die Möglichkeit zu geben, in diesem Gebäude zu lernen und zu arbeiten und sich in der Gemeinschaft zu engagieren. Jeder will gebraucht werden.“

 


Inklusion. Im Anandaloy bekommen Menschen mit Behinderung ihre Chance zu zeigen, dass auch sie- und gerade sie - ein wertvoller Teil der Gesellschaft sind.
Foto: ©  Kurt Hörbst


Um das inhaltliche Konzept auch gestalterisch nach außen zu tragen, wurde als sichtbares Zeichen dieser Inklusion eine große Rampe errichtet, die sich in den ersten Stock hinaufwindet. Diese architektonische Geste warf bei der Bevölkerung viele Fragen auf: Warum ist es wichtig, den Zugang für alle zu gewährleisten, egal ob gesund oder nicht? Die Zweifel und vielleicht auch Berührungsängste, die dieser neue Zugang aufwarf, wurden bald zerstreut. Weder das eine noch das andere hatte bei Anna Heringer eine Chance, was die Wahl des Baumaterials betraf. Sie entschied sich bewusst für Lehm und seine plastischen Fähigkeiten, um eine stärkere Identität zu schaffen, obwohl er oft als schlechtes und altmodisches Material angesehen wird. „Für uns spielt es keine Rolle, wie alt das Material ist. Es geht um unsere kreative Fähigkeit, es auf zeitgemäße Weise zu verwenden. Um die Schönheit und die Fähigkeiten von Lehm zu zeigen, muss man das Beste aus ihm herausholen und ihn nicht nur als billigere Version des Ziegels behandeln.“

 


Potenziale. Anna Heringer schätzt Lehm als vielfältiges, nachhaltiges und innovatives Baumaterial.
Foto: ©  Stefano Mori


Das Anandaloy-Gebäude bricht in jeder Hinsicht mit Tabus: Es ordnet sich nicht unter, weder inhaltlich noch formal. Die mit der „Cob“ genannten Lehmtechnik errichteten Kurven sprechen Bände. Im Gegensatz zu den anderen Gebäuden in diesem Gebiet, die in einem rechteckigen Grundriss errichtet wurden, bricht das Anandaloy-Gebäude aus dieser Form aus. Es tanzt in Kurven, die Rampe windet sich spielerisch um seine innere Struktur.



Authentisch. Das Anandaloy ist durch die lokalen Materialien Lehm und Bambus eng mit dem Ort verbunden.
Foto: ©  Stefano Mori


Die Strategie aller Projekte von Anna Heringer - ganz gleich, ob im europäischen, asiatischen oder afrikanischen Kontext - ist die Kombination aus der Verwendung lokaler Materialien und lokaler Energiequellen einschließlich Handarbeit mit globalem Know-how. Ein Engagement, das 2021 mit dem Philippe Rotthier European Prize for Architecture ausgezeichnet wurde.



Frauenpower. Im Schneiderei-Atelier erlangen Frauen der Region mit ihren selbstproduzierten Arbeiten ein Stück Unabhängigkeit und Selbstvertrauen.
Foto: ©  Günter König

 

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